Der Islam gehört zu Deutschland – Ätschi-bätschi!

Ostern ist ein christlicher Feiertag, das heißt willkommene Gelegenheit für unsere Kirchenhäupter, sich und ihre Botschaft wieder einmal ins Gespräch zu bringen. Wer allerdings erwartet hatte, zu Ostern würde anderes geboten als zu Weihnachten, Pfingsten oder Advent, sah sich enttäuscht. Der Anlass mag kirchenjahresbedingt wechseln, die Botschaft der Kirchenoberen lautet seit ein paar Jahren immer gleich: Auch diesmal hielt man sich an den bewährten Themen-Dreiklang von Islam, Flüchtlingspolitik und AfD-Bashing, mit besonderem Schwerpunkt auf dem Islam. Kardinal Marx, der schon am Karfreitag erklärt hatte: „Wir müssen offen sein für die Begegnung mit Muslimen“ (hier), legte am Ostersonntag noch einmal nach und regte an, „noch mehr auf unsere Nachbarn, die einer anderen Religion angehören“, zuzugehen (hier). Dabei helfe nach Marx der österliche Glaube, denn durch ihn seien die Menschen „wirklich frei, und nicht verdruckst, in sich verklemmt“. Von der Ostererfahrung gehe die Hoffnung aus, „dass ein Miteinander auch von Menschen unterschiedlicher Glaubensüberzeugungen und Kulturen gelingen könne.“ Und auch der EKD Ratsvorsitzende Bedford-Strohm machte sich zu Ostern für den interreligiösen Dialog stark; der sei „nicht Kür, sondern Pflicht“ (hier).

Obwohl der interreligiöse Dialog, theologisch betrachtet, eigentlich in eine andere Kategorie fällt, ließe sich darüber reden. Die Frage ist nur, was die beiden Herren darunter verstehen. Wie frei, unverdruckst und unverklemmt der Dialog mit den islamischen Gesprächspartnern in der Praxis aussieht, ist ja erst unlängst deutlich geworden, als Marx und sein evangelischer Kollege auf dem Jerusalemer Tempelberg ihr bischöfliches Kreuz abgelegt hatten. Nicht etwa, weil sie im Heiligen Land gemeinsam die „Kreuzabnahme“ gefeiert hätten, sondern wohl mit Rücksicht auf die religiösen „Gefühle“ ihrer muslimischen Gesprächspartner. Ist das das Miteinander „von Menschen unterschiedlicher Glaubensüberzeugungen und Kulturen“, das die beiden Kirchenmänner meinen?

Ostern wäre nicht Ostern, wenn sich nicht auch die Ex-Bischöfin Margot Kässmann, die jetzt in einem „kleinen Häuschen“ in Usedom wohnt, zu Wort gemeldet hätte (hier). Ihre Oster-Botschaft: „Der Islam wird praktiziert in Deutschland. Und Deutschland wird nicht mehr so sein, dass es keinen Islam gibt. Da können sich die Leute auf den Kopf stellen.“

Nun gibt es manches in Deutschland, das einfach da ist, ohne dass es deswegen bereits zu den landestypischen Eigenheiten gezählt werden müsste und in diesem Sinne zu Deutschland „gehörte“, Steuerhinterziehung zum Beispiel, oder andere hässliche Dinge. Dass der Islam in Deutschland inzwischen überall fleißig praktiziert wird, ist aber in der Tat nicht zu übersehen, in Moscheen, die nicht zu übersehen sind, und anderswo; außerdem gibt es neuerdings in unserem Land Kinderehen, Vielehen, antisemitische Demonstrationen vor dem Brandenburger Tor, dazu immer wieder mal Sprenggläubige, Messerstecher oder LKW-fahrende Märtyrerkandidaten, die den Koran allzu wörtlich genommen haben. Und hier, weniger bei den Moscheen und den friedlichen Moslems, liegen ja die eigentlichen Probleme, auf die Frau Kässmann leider mit keinem Wort eingeht.

Der zweite Satz ist so verquer, dass er von der Kanzlerin stammen könnte und er klingt wie Göring-Eckardts apodiktisches „Deutschland wird sich ändern…!“ – nur irgendwie schnippischer, trotziger, so wie Ätschi-bätschi! Ey Pegida-Pack, ihr könnt euch auf den Kopf stellen und mit den Beinen quirlen: Den Islam in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.

In Zeiten, wo sich reife weiße Frauen Sorgen über die Psyche älterer weißer Männer machen, ist es erlaubt, wenn ältere weiße Männer auch einmal über die Psyche reifer weißer Frauen nachdenken. Wie kommt es, dass wir bei ihnen neuerdings immer häufiger eine Art Rückfall in die frühe Pubertätsphase beobachten? Ich denke an Andrea Nahles, aber auch an das trotzige Kanzlerinnenwort: „Dann ist das nicht mein Land“. Was soll dieses trotzige Fußaufstampfen, dieser Rückfall in die Jungmädchen-Zeit des pubertären Aufbegehrens? Liegt ein unbewältigter Tochter-Vater Konflikt vor? Ist es die ohnmächtige Wut der Töchter über die Väter, die aufgrund von Alter, Lebenserfahrung und Wissen argumentativ immer eine Nasenlänge voraus waren?

Man kennt diese Art, die Welt zu betrachten. Sie ist immer ganz unpolitisch. Will sagen, man schließt von irgendwelchen persönlich erlebten erfreulichen oder auch weniger erfreulichen Einzelfällen auf das Ganze und macht daraus eine politische Aussage. So auch Frau Kässmann: „Ich bin beispielsweise mit einem Muslim aufgewachsen, er hat hier geheiratet, eine Familie gegründet, immer gearbeitet, hat heute Enkel wie ich, seine Kinder haben studiert. Wie muss der sich fühlen? Gehört der nicht zu Deutschland mit seinem Glauben? Wie kann man die Menschen und ihren Glauben so auseinanderdividieren?“ Ein erfreulicher Fall, gewiss. Aber lässt er sich auch verallgemeinern? Und was die Gefühle des muslimischen Nachbarn betrifft, so kommt es ganz auf die Beschaffenheit seines Glaubens an. Wenn er der Meinung ist, dass Frauen minderwertig, Kinder ab 9 heiratsfähig, Homosexuelle und Ehebrecherinnen gesteinigt werden sollten usw., wird er sich sicherlich unwohl fühlen. Wenn er dagegen die Werte des Grundgesetzes vorbehaltlos bejaht, wird er ohne Zweifel froh darüber sein, dass ihm bei der Auseinandersetzung mit anders gepolten Glaubensgenossen jemand zur Seite steht.

In der Islamdebatte scheint man fest entschlossen, alle konkreten Einwände zu ignorieren und sich gegenüber berechtigten Anfragen taub zu stellen. Dabei hätte Frau Kässmann zu Ostern eine gute Gelegenheit gehabt, auf die Ängste besorgter Christenmenschen einzugehen.  Sie hätte sich am Fragekatalog orientieren können, den Hamed Abdel-Samad an die Kanzlerin gerichtet hat und der bis heute unbeantwortet geblieben ist:

„Gehört die Aufteilung der Welt in Gläubige und Ungläubige auch zu Deutschland?
Was ist mit Dschihad?
Was ist mit Polygamie?
Was ist mit der Todesstrafe für Apostaten?
Was ist mit Körperstrafen für Diebe und Ehebrecher und Alkoholtrinker?
Was ist mit Frauenrechten, die im Islam kaum vorhanden sind?
Was ist mit Sklaverei, die im Islam nicht verboten ist?“

Auf all diese Fragen gibt Frau Kässmann keine Antwort. Stattdessen heißt es: Der Islam wird praktiziert in Deutschland und damit aus, Basta.

Für jemand, der anderen vorwirft, lediglich einfache Lösungen anzubieten, ist das ein bisschen wenig. Aber natürlich sind solche allgemeinen Feststellungen viel bequemer und ersparen eigenes Nachdenken. Vielleicht war Frau Kässmann aber auch durch die Reformationsfeierlichkeiten zu sehr in Anspruch genommen. Auf Usedom wird sie dafür endlich Zeit haben. Und vielleicht erfahren wir bei einem ihrer nächsten Strandkorbinterviews sogar, was dabei herausgekommen ist.

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